Christian Schweitzer, TGM Wien

Geschwindigkeitsproblem

Mathematische Inhalte:

Kurzzusammenfassung: Einführung des Differenzierens anhand eines Versuchs mit dem PC. Es wird ein Weg-Zeit- Diagramm eines rollenden Waggons aufgenommen und daraus ein Geschwindigkeit-Zeit- Diagramm und ein Beschleunigung-Zeit-Diagramm ermittelt. Diskussion der Ergebnisse führen zum Verständnis der Zusammenhänge zwischen einer Funktion und ihrer ersten bzw. zweiten Ableitung. Weitere Verwertung der Messungen ist mit Hilfe von CAS oder Tabellenkalkulation möglich. Lehrplanbezug: 3. Jahrgang, Differenzenquotient, Differenzieren Zeitaufwand: 4 Stunden (für den Bau der Bahn etwa 3 bis 4 Stunden) Mediales Umfeld: Berg- und Tal Bahn mit entsprechendem Programm (BTB.EXE), Laptop mit Overheadprojektion, Tabellenkalkulation, CAS
 
1. Die Idee

Newton ging bei der Entwicklung seines Calculus vom Geschwindigkeitsproblem aus. Er dachte sich das Entstehen von Funktionen f(x,y) durch Überlagerung zweier Bewegungen. Die Koordinaten faßte er dabei als Funktionen der Zeit auf. Durch diese Betrachtungen kommt die Dynamik, die in der Analysis steckt, ganz besonders zum Ausdruck. Auch wenn wir heute in der Infinitesimal- rechnung die Symbolik von Leibnitz verwenden findet sich das Geschwindigkeitsproblem in vielen Lehrbüchern als Einführungsbeispiel in die Differentialrechnung (wenn auch in etwas anderer Betrachtungsweise, als bei Newton). Mit einem einfachen Versuch soll den Schülern diese "Bewegung" in der Analysis vorgeführt werden. Mit Hilfe des Computers werden Zeit- und Weg- messungen einer Bewegung aufgenommen. Aus dieser Meßtabelle kann man dann ein Weg-Zeit- Diagramm und in weiterer Folge ein Geschwindigkeit-Zeit-Diagramm bzw. ein Beschleunigung- Zeit-Diagramm entwickeln. Aufgrund der grafischen Darstellung sollen für die Schüler Zusammen- hänge zwischen Ausgangsfunktion (Weg-Zeit) und erster (Geschwindigkeit-Zeit) bzw. zweiter Ableitung (Beschleunigung-Zeit) gewonnen werden. Man kann diesen Versuch als Einstieg in das Differenzieren wählen oder auch zur Vertiefung schon gewonnener Erkenntnisse. In der Diskussion der Ergebnisse sollte man auch auf die auftretenden Meßfehler, die notwendige Genauigkeit der Messung und die im Programm verwendeten Formeln eingehen. Das Testen anderer Formeln kann einfach in einer Tabellenkalkulationen geschehen, in die Meßwerte leicht übernommen werden können.

2. Beispiel

Das Entstehen der Meßzeiten kann aus den nachstehenden Diagrammen entnommen werden:

Bedeutung der einzelnen Zeiten:

tk1 Die vordere Achse schließt den Kontakt Nr. k.

tk2 Die vordere Achse öffnet den Kontakt Nr. k.

tk3k3Die hintere Achse schließt den Kontakt Nr. k.

tk4k4Die hintere Achse öffnet den Kontakt Nr. k.

Daraus kann ein Mittelwert berechnet werden, der etwa jenen Zeitpunkt angibt, zu dem der Schwerpunkt des Waggons die Mitte des Kontaktes überfährt:

Für die mittlere Geschwindigkeit beim Überfahren eines Kontaktes wurde

verwendet. Die Beschleunigung ergibt sich aus
Natürlich kann man aus den vier Meßzeiten auch andere Formeln für v und a entwickeln, es werden aber immer nur Näherungswerte bezogen auf den Schwerpunkt des Waggon bleiben, da seine Bewegung nicht gleichförmig ist.

Bei einer Fahrt des Waggons wurden z. B.: folgende Werte gemessen bzw. ermittelt:
Meßpunkt
Meßwerte
daraus berechnete Werte
Kontaktnr.
tk1
tk2
tk3
tk4
tk0
vk
ak
k
ms
ms
ms
ms
ms
m/s
m/s²
0
     
0
0
0
1
1
214
274
334
381
300,75
0,38
0,77
2
454 
494 
527 
563
509,5
0,7
0,74
3
617 
652 
682 
718
667,25
0,77
-0,23
4
773 
810 
844 
885
828
0,68
-0,69
5
957 
1001 
1048 
1102
1027
0,49
-0,83
6
1201 
1261 
1326 
1395
1295,75
0,35
-0,32
7
1529 
1599 
1682 
1756
1641,5
0,28
-0,09
8
1892 
1962 
2030 
2093
1994,25
0,34
0,22
9
2192 
2261 
2319 
2385
2289,25
0,4
0,1
10
2506 
2575 
2663 
2756
2625
0,26
-0,42
 

Man kann nun die Funktionsgraphen darstellen und diskutieren.

3. Die Hardware

Die Berg- und Tal-Bahn besteht aus einer 1m langen Strecke Modellbahnschienen HO (Abhang mit anschließendem Hügel). Ein Modellbahnwaggon soll auf dieser Strecke selbständig aufgrund der Schwerkraft fahren. Über Kontaktschienen werden durch die elektrisch leitenden Schaltachsen des Waggons Impulse an die serielle Schnittstelle eines PC bzw. Laptops weitergeleitet. Das Programm BTB.EXE mißt und speichert die entsprechenden Zeiten.

Die Bahnkurve (Profil) wurde zunächst empirisch ermittelt: Der Waggon sollte für die Strecke eine Zeit von etwa 2 bis 3 Sekunden benötigen, damit man mit einer Meßgenauigkeit im Bereich vom ms auskommt. Weiters sollten die Extrema äquidistant sein.

Das ergab folgende Randbedingungen:

Start bei x = 0 mm in y = 30 mm Höhe

erster Tiefpunkt (Tal) mit y = 0 mm bei x = 300 mm

Hochpunkt (Berg) mit y = 10 mm bei x = 600 mm

zweiter Tiefpunkt (Tal - Beginn des waagrechten Auslaufes) mit y = 0 mm bei x = 900 mm
 
Als Kurvenform wurde eine Polynomfunktion 6. Grades gewählt, deren Koeffizienten noch zu bestimmen waren. Dies ist eine lohnende Aufgabe für die Verwendung von Computeralgebra- systemen. Auf der beiliegenden Diskette ist sie z.B. mit Mathematica (BTB.MA, BTB.MB) gelöst. Man erhält dabei die nebenstehende Funktion.
 

Das Profil hat damit die folgende Gestalt (Maße in mm):

:

Der elektrische Schaltplan ist sehr einfach. Für den Anschluß an den PC wird ein 9-poliges Nullmodemkabel verwendet. Hat man nur einen 24-poligen Anschluß für die serielle Schnittstelle zur Verfügung, so kann ein Standardumsetzer Verwendung finden. Für den Startimpuls muß noch der Schienenstrang des Prellbocks, der mit der Kontaktseite verbunden ist, etwa 60 mm (dieses Maß hängt vom Radstand des Waggons ab) vom Anfang der Strecke her eingeschnitten werden. Dieser Kontakt wird mit den anderen zehn Kontakten und dem PIN 1 des 9-poligen Schnittstellen- anschlusses verbunden. Der andere Strang wird an PIN 4 angeschlossen. Allfälliges Prellen der Kontaktachsen wird durch Beschweren des Waggons und einen Konsensator kompensiert.

Materialaufwand
 
Anzahl
Bezeichnung
ca. Preis
9 Stk.
Kontaktschienen 
225
1 Stk.
Kontaktanschlußschiene 
25
2 Stk.
Prellböcke 
60
1 Stk.
1,2 m Holzleiste 40 x 60 mm entsprechend dem vorgeschlagenen Profil zuschneiden
40
1 Stk.
Preßspanplatte 1200 x 150 mm als Unterlage für das Profil
35
1 Stk.
Nullmodemkabel 9-polig 
70
1 Stk.
Anschlußstecker für Nullmodemkabel 9 -polig zum Einbau in ein Gehäuse
50
1 Stk. 
Kunststoffgehäuse ca. 50 x 50 x 20 mm zum Schutz der elektrischen Verbindungen
20
1 Stk.
ungepolter Kodensator etwa 200 nF 
2
1 Stk.
Modellbahnwaggon (offener Güterwagen) 
35
2 Stk.
Schaltachsen aus Messing sind entsprechend der im Waggon eingebauten Kunststoffachsen anzufertigen  
3 Stk.
Messinggewichte zum Beschweren des WaggonsErhöhen der Reibung, Verhindern des Prellens   
  Summe
562
 

4. Die Software

Die Dateien zum Herunterladen:

BTB EXE 85456 8.10.94 21.00

BTB PAS 16311 8.10.94 20.58

TIMER TPU 1024 13.04.94 19.02

Das Programm BTB.EXE entstand im Rahmen eines Projektes im EDV Unterricht und wurde auf einem PC-486 getestet. Es ist auch der Einsatz mit dem in den Schulen zur Verfügung stehenden Laptop möglich. BTB.PAS ist der zugehörige Quellcode, TIMER.TPU stellt Funktionen für die Zeitmessung zur Verfügung.

Beim Programmstart kann mit einem Parameter angegeben werden, welche serielle Schnittstelle zur Messung verwendet wird. z.B..: BTB 3 für die Verwendung von COM3:. Ohne Parameterangabe wird COM2: verwendet.

Nach dem Start kann man mit den Funktionstasten aus einem Menü auswählen:

Sind noch keine Meßwerte gespeichert, so können die Optionen F3 bis F6 (rot) nicht angesprochen werden.
 

F1 Informationen zum Programm

F2 Beim Aufnehmen einer Messung der Schaltzeiten tk1 .. tk4 für eine Fahrt des Waggons entsprechend den Anweisungen auf dem Bildschirm vorgehen: Waggon in Startposition bringen, Taste drücken und Waggon loslassen. Nach erfolgter Messung gelangt man mit der ENTER Taste zurück zum Menü. Sollte der Waggon hängen bleiben oder verunglücken", so erfolgt eine Fehlermeldung. Mit ESC kann der Meßvorgang jederzeit abgebrochen werden – es kann jedoch sein, daß das Programm erst nach einiger Zeit wieder reagiert.

 
F3 Die Meßwerte und die daraus errechneten Geschwindigkeiten und Beschleunigungen werden auf dem Bildschirm in Tabellenform angezeigt.

F4 ermöglicht die grafische Darstellung des Weg-Zeit-Diagramms, des Geschwindigkeit-Zeit- Diagramms und des Beschleunigung-Zeit-Diagramms in einem Bild auf dem Monitor.

 
F5 Ausgabe der Meßtabelle auf einem Drucker

F6 Speichern der Schaltzeiten in Form einer ASCII-Tabelle auf Diskette. Dadurch kann man die Meßwerte zum Beispiel in eine Tabellenkalkulation übernehmen und dort weitere oder andere Auswertungen vornehmen. Beispiele dafür zum Herunterladen:

Ergebnisse dreier Messungen in den Dateien
FAHRT1 TXT 337 16.10.94 13.47
FAHRT2 TXT 335 6.10.94 22.12
FAHRT3 TXT 335 6.10.94 22.13
Auswertungsbeispiel für Lotus 1-2-3 für Windows Version 4
BTB WK4 13420 8.10.94 15.22
Auswertungsbeispiel für MS-Excel Version 4.0

BTB XLS 5784 8.10.94 17.24

F7 Laden von mit F6 bereits gespeicherter Fahrten.

F10 Beenden des Programmes